Zum Vergrößern auf das Bild klicken, © Tanja Föhr, Agentur für Innovationskulturen

Nachbericht: 2. Wissenschaftliche Fachtagung 

Am 3. März 2022 war es wieder soweit: Gut 160 Teilnehmer*innen trafen sich virtuell bei der 2. Wissenschaftlichen Fachtagung „Essen vergessen!? Blickwinkel Demenz.“ der Vernetzungsstelle Seniorenernährung Niedersachsen (DGE-Sektion). Dieses Mal stand das Thema „Essen und Trinken bei Demenz“ im Fokus. Eine große Herausforderung für alle Beteiligten: für den Betroffenen ebenso wie für das Umfeld.

Informative Wissenshappen von Prof. Dr. Gunter Eckert rund um die Demenzerkrankung, ihre Prävention und Therapie wechselten sich mit Praxisbeispielen ab. Abgerundet wurde die Fachtagung mit einer Dialogrunde, in denen sich die Teilnehmer*innen mit den einzelnen Referent*innen aus der Praxis intensiv austauschen konnten.

Wissenshappen | Demenz. Das Wichtige im Überblick

„Nicht jeder wird dement!“, so startete Prof. Dr. Gunter Eckert seinen Überblick zur Demenzerkrankung. Der Bevölkerungsanteil älterer Menschen sowie die durchschnittliche Lebenserwartung steigt hierzulande und somit die Anzahl altersbedingter Erkrankungen – auch der Demenz. Herr Prof. Dr. Eckert beschrieb die 3 Stadien der Demenz (Frühstadium, Mittleres und Fortgeschrittenes Stadium), die durch eine fortschreitende Plaqueablagerung gekennzeichnet sind. Der Krankheitsverlauf von der ersten Diagnose nimmt durchschnittlich einen Zeitraum von 6-10 Jahren ein. Nicht selten versterben Demenzkrankte durch eine Lungenentzündung, welche durch das Verschlucken von Nahrungsresten und einen verminderten/verzögerten Husten- und Würgereiz verursacht wird.

Praxisbeispiel: Hausgemeinschaftskonzept der Bremer Heimstiftung

Monika Böttjer hat gemeinsam mit ihren Kolleg*innen ein Hausgemeinschaftskonzept in der Bremer Heimstiftung etabliert. Zentrale Leitfrage der Konzeptentwicklung war: „Wie kann ich den pflegebedürftigen Menschen durch das, was ich tue, beschäftigen, einbinden und somit vor allem wertschätzen?“. Denn das Team der Bremer Heimstiftung ist davon überzeugt, je mehr die Bewohner*innen mit in den Alltag eingebunden sind, umso wohler fühlen sie sich. Eine Vielzahl von Tätigkeiten sind möglich: Vom Helfen beim Kochen über das Dekorieren des Tisches oder einfach nur das Dabeisein. Hauptsache, die älteren Menschen werden authentisch eingebunden und Teilhabe wird ermöglicht. Dafür bildet Frau Böttjer Alltagsbegleiter*innen aus, die lernen mit den Bewohner*innen und ihren Angehörigen positiv zu kommunizieren und zu interagieren. Grundsätzlich plädiert sie für eine Kompetenzpartnerschaft zwischen Pflege und Hauswirtschaft sowie allen weiteren Professionen, die an der Betreuung der älteren Menschen beteiligt sind.

Zum Vergrößern auf das Bild klicken, © Tanja Föhr, Agentur für Innovationskulturen

Wissenshappen | Prävention: Gesund essen statt vergessen

Durchschnittlich können im Alter von etwa 65 Jahren die ersten milden Symptome von Demenz auftreten. Ein erhöhtes Risiko haben Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck, Depression, Raucher*innen sowie sportlich Inaktive. Dagegen kann eine bunte Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Nüsse, Olivenöl, grünem Tee oder Curcuma dabei unterstützen, dass die Erkrankung nicht oder später entsteht. Bereits eine tägliche Bewegung von mind. 15 Minuten bei moderat erhöhtem Puls sowie kognitives Training können einen präventiven Effekt haben. Die positive Wirkung gilt auch dann, wenn die Krankheit schon ausgebrochen ist, so Prof. Dr. Gunter Eckert. In diesem Zusammenhang weist er eindringlich auf die 10 Regeln der DGE hin.

Praxisbeispiel: Seniorenbetreuung Schloss Schliestedt

Anschauliche Einblicke in ihre Arbeit in der Seniorenbetreuung gaben Sabine Resch-Hoppstock und Helga Möller. Dafür nahmen sie die Teilnehmer*innen virtuell mit an ihren Tisch, wo sie Geschirr und andere Hilfsmaterialien aufgebaut hatten. In ihrer Demenz-AG kochen sie mit und für Demenzerkrankte. Dabei wird das verminderte Sehvermögen, Gangunsicherheiten, Schluckstörungen und verlernte Kulturtechniken wie das Essen mit Gabel und Messer berücksichtigt. Ihnen ist besonders wichtig, dass die demenziell Erkrankten zu keiner Zeit bevormundet werden, sondern so genommen werden, wie sie sind. Mit Marmelade auf den Lippen kann beispielsweise eine orale Stimulation durchgeführt werden oder bei der Auswahl an Kräutern und Gewürzen können die Betroffenen aktiv beteiligt werden. Ihre Essbiografie sollte unbedingt mit einbezogen werden, appellieren Frau Resch-Hoppstock und Frau Möller.

Wissenshappen | Therapie: Gesund essen trotz vergessen

Beim letzten Wissenshappen gab Prof. Dr. Gunter Eckert Einblicke, welche Therapiemöglichkeiten durch Essen und Trinken bei Demenz möglich sind. Ansatzpunkte gibt es vor allem dort, wo dem Gewichtsverlust, der Gefahr an Kachexie und Dysphagie entgegen gewirkt werden kann. Pürierte Kost oder hochkalorische und nährstoffreiche Trinknahrung helfen beispielsweise bei Kau- und Schluckstörungen und (drohender) Mangelernährung. Aber auch Fingerfood entlang gewohnter Wegstrecken (Eat by walking) können Demenzerkrankte mit erhöhtem Bewegungsdrang zum Essen animieren, um so auf die veränderten Bedarfe und Bedürfnisse einzugehen, welche Folgen der Krankheit sind.

Praxisbeispiel: Sanfter Genuss

Leidenschaftlich und mitreißend plädierte Markus Biedermann dafür, dass Esskultur eine Wertschätzung ist, die gelebt werden muss. Er sieht sich selbst als Esskümmerer, der seine Gäste kennt und weiß, was sie essen möchten. Dafür setzt er sich mit seinen Bewohner*innen intensiv auseinander und fragt, was ihnen früher gut geschmeckt hat und worauf sie aktuell Appetit haben. Mit diesen Wünschen geht er in die Küche und lässt sie kreativ Wirklichkeit werden. So kann das Ungarische Gulasch püriert, aber optisch wiederhergestellt werden, wodurch das volle Geschmackserlebnis mitsamt einem leckeren Äußeren serviert werden kann. Mit weiteren Angeboten wie Eat by walking oder der Zubereitung von Speisen mit seinem Campingkocher im Zimmer bettlägeriger Bewohner*innen möchte Herr Biedermann alle Sinne ansprechen und auf die Bedarfe sowie Bedürfnisse eines jeden Einzelnen eingehen.

Dialogrunde

In der abschließenden Dialogrunde hatten alle Teilnehmer*innen noch einmal die Gelegenheit in vier Breakouträumen Monika Böttjer, Sabine Resch-Hoppstock mit Helga Möller, Markus Biedermann sowie Selina Wachowiak und Dörthe Hennemann von der Vernetzungsstelle tiefergehende Fragen zu stellen und sich untereinander auszutauschen. Die Dialogrunden, aber auch die gesamte Veranstaltung wurden von den Teilnehmenden in Form von „Schlagzeilen“ wie folgt zusammengefasst:

Zum Vergrößern auf das Bild klicken, © Tanja Föhr, Agentur für Innovationskulturen

Wieder ein voller Erfolg!

So lauten das Fazit sowie das positive Feedback der Teilnehmenden der 2. Wissenschaftlichen Fachtagung der Vernetzungsstelle Seniorenernährung Niedersachsen (DGE-Sektion). An dieser Stelle ein herzliches Dankschön an alle Beteiligten, ohne die diese Veranstaltung so nicht möglich gewesen wäre!

Wenn wir Ihnen hiermit Appetit gemacht haben, dann seien Sie bei einer der nächsten Veranstaltungen der Vernetzungsstelle Seniorenernährung Niedersachsen gerne selbst live dabei.