Das ganze Interview des Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen (ZEHN) mit der DGE-Sektionsleiterin Dörthe Hennemann:
In vielen Betriebskantinen ist ein vegetarisches Gericht in der Menüauswahl zum Standard geworden, im Supermarkt gibt es zu nahezu jedem tierischen Produkt eine pflanzliche Alternative und Trendberichte sehen eine „flexitarische Ernährung“ an der Spitze der Zukunftsentwicklungen. Was sagt die Wissenschaft zu pflanzenbetonter Ernährung?
Frau Hennemann, bevor wir in die Bewertung einsteigen: Können Sie uns erklären, was unter einer pflanzenbetonten Ernährung verstanden wird?
Für den Begriff einer pflanzenbetonten, oder auch pflanzenbasierten Ernährung gibt es bisher keine allgemeingültige Definition. Vielmehr wird darunter eine Vielzahl unterschiedlicher Ernährungsformen verstanden, wie bspw. die altbekannte mediterrane Ernährungsweise oder die neuere Planetary Health Diet. Alle vereint, dass zu einem großen und deutlich überwiegenden Anteil pflanzliche Lebensmittel gegessen werden – sprich: Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte oder Nüsse. Sie kann ergänzt werden durch geringe Mengen tierischer Lebensmittel. Umgangssprachlich wird auch von einer flexitarischen Ernährung gesprochen.
Oft wird auch – bildlich gesprochen – die vegane Ernährung mit den in Topf der Begrifflichkeiten geworfen. Ist eine pflanzenbetonte Ernährung mit einer veganen Ernährung gleichzusetzen?
Eine vegane Ernährung schließt jegliche Lebensmittel tierischer Herkunft aus. Die vegane Ernährungsform – und auch die vegetarische – fallen unter den Oberbegriff einer pflanzenbetonten Ernährung und sind zwei Möglichkeiten, diese Ernährungsweise umzusetzen. Andersrum lässt sich aber nicht gleichsetzen, dass eine pflanzenbetonte Ernährung zwingend vegan sein muss.
Wir merken uns: überwiegend pflanzlich, wenig tierisch. Wie steht die DGE zur pflanzenbetonten Ernährung?
Auch die Empfehlungen der DGE zählen zu einer pflanzenbetonten Ernährung. Schauen wir uns den DGE-Ernährungskreis oder die DGE-Lebensmittelpyramide an, so zeigen sie bereits auf den ersten Blick, dass Obst, Gemüse und (Vollkorn-) Getreide den größten Anteil bzw. die breiteste Pyramidenstufen einnehmen. Übersetzt haben wir diese Gewichtung auch in den „10 Regeln der DGE“, die praktische Tipps zur Auswahl und Zusammenstellung unserer täglichen Lebensmittel geben. So ist „5 am Tag“ eine einfache Eselsbrücke, um den Obst- und Gemüseverzehr hochzuhalten. Wohingegen wir, wenn tierische Lebensmittel verzehrt werden, eine klare Höchstgrenze empfehlen.
Ist denn eine pflanzenbetonte Ernährung besser für die Gesundheit als andere Ernährungsformen?
Da es keine allgemeingültige Definition einer pflanzenbetonten Ernährung gibt, kann auch keine allgemeingültige Aussage über deren gesundheitsfördernde Wirkung getroffen werden. Grundsätzlich nehmen wir aber über Ernährungsweisen, die überwiegend Gemüse und Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und pflanzliche Öle enthalten, kurz gesagt viele (lebens-) notwendige, positive Inhaltsstoffe auf. Dazu gehören z. B. Vitamine, Ballaststoffe oder ungesättigte Fettsäuren. Gleichzeitig nehmen wir durch diese Ernährungsformen meist weniger Energie, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin auf als Ernährungsformen, die einen höheren Anteil tierischer Lebensmittel beinhalten. Konkret gesagt bedeutet das, dass solche pflanzenbetonten Ernährungsweisen mit einem geringeren Risiko für Übergewicht und ernährungsmitbedingte Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind.
Das klingt erst einmal sehr positiv. Ihre Formulierungen „grundsätzlich“ und „meist“ lassen aber vermuten, dass Sie uns noch eine Einschränkung mit auf den Weg geben.
Tatsächlich. Eine pflanzenbetonte Ernährung kann positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Falls allerdings vorrangig verarbeitete Lebensmittel verzehrt werden, trifft dies nicht mehr zu. Denn diese enthalten oft z.B. hohe Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren oder Zucker und damit eine hohe Energiedichte.
Es kommt also immer drauf an.
Genau. Was ich an dieser Stelle aber auch noch erwähnen möchte ist, dass eine pflanzenbetonte Ernährung nicht nur positiv für die Gesundheit unseres Körpers sein kann, sondern auch für die Gesundheit des Planeten ist. Die Produktion tierischer Lebensmittel braucht in der Regel mehr Ressourcen, wie bspw. Futtermittel, Wasser oder Landfläche. Das führt zu höheren Umweltbelastungen durch Treibhausgasemissionen, Verlust der Artenvielfalt oder Versauerungen der Böden. Eine pflanzenbetonte Ernährung verringert diese negativen Umweltauswirkungen. Auch die Umweltaspekte nehmen wir seitens der DGE immer mehr in den Blick.
Es ist also weniger eine Frage des „ob“, sondern eine Frage des „wie“?
Das ist richtig. Und das ist auch gar nicht so schwer: Eine abwechslungsreiche und vielseitige Lebensmittelauswahl nach den 10 Regeln der DGE versorgt uns mit allen wichtigen Nährstoffen und der persönlich richtigen Menge an Energie.
Das ZEHN baut ein Netzwerk für Verbraucher*innen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Fachorganisationen in Niedersachsen auf. Sie hat zum Ziel gemeinsam die bewusste Wertschätzung von Lebensmitteln und die Handlungskompetenz in Ernährung und Hauswirtschaft zu fördern. Dazu stellt das ZEHN Informationen bereit und initiiert, vermittelt und begleitet Maßnahmen.
Quelle: Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen (ZEHN).